Viele Viertklässler:innen erreichen die Mindeststandards in den Bereichen Lesen, Leseverständnis und Mathematik nicht, an den Kindertageseinrichtungen und Schulen herrscht akuter Personalmangel, vielerorts werden die Mittel für Bildung gekürzt. „Die Liste mit den Herausforderungen, vor denen das Bildungssystem nicht nur in Baden-Württemberg derzeit steht, ist lang. Gehen wir sie nicht umgehend alle gemeinsam an, sind die Folgen für die gesamte Bevölkerung gravierend“, darin sind sich Professor Jörg-U. Keßler und Professorin Karin Vach einig.
Die Pädagogischen Hochschulen Baden-Württembergs übernehmen dabei gerne Verantwortung: Als bildungswissenschaftliche Hochschulen, die über das Promotions- und Habilitationsrecht verfügen, forschen ihre Mitglieder primär in den Bildungswissenschaften, den Fachdidaktiken oder der Sonderpädagogik. Ihr Schwerpunkt liegt auf der wissenschaftlichen Qualifikation der Lehrer:innen von morgen; darüber hinaus bieten sie zahlreiche Bachelor- und Masterstudiengänge an, etwa im Bereich der Kindheitspädagogik, der Gesundheitsbildung, der Interkulturalität oder der Medienbildung. Die Profile der Hochschulen werden zudem durch professionelle Weiterbildungsangebote, die sich an Lehrkräfte, Fach- und Führungskräfte sowie an die interessierte Öffentlichkeit richten, geschärft.
„Unsere Hochschulen sind europaweit einzigartig und fester Bestandteil des Bildungssystem – was innovative Forschungsprojekte und Bildungsentwicklungen, internationale Kooperationen und zahlreiche Auszeichnungen eindrucksvoll zeigen“, sagt Keßler. Mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen mit dem Land zur Hochschulfinanzierung betont er jedoch gemeinsam mit seiner Kollegin Vach, dass es hierfür auch in Zukunft die entsprechende personelle und finanzielle Ausstattung braucht. So erklärt Keßler: „Gerade in Baden-Württemberg hat sich zum Beispiel die Schülerschaft verändert: Der Anteil von Kindern, die kaum oder nur wenig Deutsch sprechen, hat rasant zugenommen. Wir brauchen Lehrkräfte, die über die entsprechenden Kompetenzen verfügen, um alle Kinder und Jugendlichen beim Lernen zu unterstützen. Mit der entsprechenden Ausstattung können wir einen echten Beitrag leisten.“ Vach ergänzt: „Wir Pädagogischen Hochschulen verfügen zudem über die notwendige Expertise, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken: Bei uns lehren und forschen Menschen, die sich exzellent beispielsweise mit Demokratiebildung oder der Bildung für nachhaltige Entwicklung auskennen. Um die Wissenschaftsmündigkeit der Gesellschaft insgesamt zu stärken, brauchen wir jedoch weitere Mittel zum einen für unsere Forschung und zum anderen für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.“
Das Engagement an den sechs Pädagogischen Hochschulen sei seitens der Wissenschaftler:innen und Mitarbeiter:innen der Verwaltung groß, auch darin sind sich Keßler und Vach einig. „Um die Bildungsexpert:innen von morgen zu qualifizieren, brauchen wir heute modern ausgestattete Hochschulen. Dies wird ein zentraler Bestandteil in den anstehenden Verhandlungen zum Hochschulfinanzierungsvertrag mit dem Land sein.“, betont Keßler. Auch für die Studierenden müssten die Rahmbedingungen verbessert werden, sagt Vach: „Unsere Studierenden nehmen einen verstärkten Druck wahr: Damit sie ihre zukünftige gesellschaftliche Aufgabe bestmöglich wahrnehmen können, braucht es – neben einem qualitativ hochwertigen Studium – ein umfangreicheres Betreuungssystem sowie eine bessere auch finanzielle Unterstützung etwa von Studierenden, die aus einkommensschwachen Familien kommen oder die Care-Arbeit übernehmen.“
Sowohl Professor Keßler als auch Professorin Vach freuen sich auf ihre neuen Ämter: „Auch wenn uns schwierige Zeiten bevorstehen, sind wir zuversichtlich. Unsere Hochschulen leisten bereits heute einen entscheidenden Beitrag, damit Menschen aller Altersgruppen und unabhängig von ihren Hintergründen Zugang zu Bildung erhalten. Gemeinsam mit unseren Kolleg:innen der Pädagogischen Hochschulen Freiburg, Karlsruhe, Schwäbisch Gmünd und Weingarten werden wir uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass unsere Gesellschaft bunt und vielfältig bleibt.“
Zu den Personen
Jörg-U. Keßler studierte an der Justus-Liebig-Universität Gießen die Fächer Anglistik und Geografie für das Lehramt an Gymnasien. Nach seinem zweiten Staatsexamen war er mehrere Jahre als Lehrer und Dozent in der Erwachsenenbildung tätig. 2003 wurde Keßler an die Universität Paderborn abgeordnet, wo er 2007 mit einer Arbeit zum Englischerwerb im Anfangsunterricht promoviert wurde. Im Anschluss war Keßler als Studienrat im Hochschuldienst an der Universität Paderborn tätig, bevor ihn die Pädagogische Hochschule Ludwigsburg 2008 zum Professor für Englische Sprache und ihre Didaktik berief. Ebenda war er mehrere Jahre als Dekan tätig, bevor er 2014 als Prorektor in das Rektorat der Hochschule wechselte. Seit 2022 ist er Rektor der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.
Karin Vach studierte an der Justus-Liebig-Universität Gießen Lehramt an Grundschulen; nach dem zweiten Staatsexamen war sie als Grundschullehrerin sowie einige Jahre als Konrektorin und Mitglied der Schulleitung tätig. Neben dem Beruf absolvierte Vach ein Promotionsstudium an der Universität zu Köln, das sie 2005 erfolgreich abschloss. 2011 erfolgte die Ernennung zur Professorin für deutsche Sprache und Literatur und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Ebenda übernahm sie u.a. Verantwortung im Senat, war als Gleichstellungsbeauftragte tätig und leitete das Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur sowie das Zentrum für schulpraktische Studien. Im Juni 2022 wurde Vach zur Rektorin der Pädagogischen Hochschule Heidelberg gewählt.