Von: Peter Kirchner
Das Sehnsuchtsland der Deutschen mit den Schwerpunktregionen Toskana, Golf von Neapel, Apulien und Venetien erkundeten 25 Studierende der Abteilung Geographie während einer 15-tägigen Großexkursion unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Kirchner. Vom Vulkanismus und Karst geprägte Landschaften sowie die unzähligen historischen Stadtzentren bildeten Schwerpunkte der Exkursion.
Im Wintersemester 2017/18 hatten sich die Studierenden in einem Seminar in Form von Referaten und durch die Erstellung einer Materialsammlung intensiv auf die Exkursion vorbereitet. Für die Tagesthemen und -standorte vor Ort waren jeweils Experten-/Expertinnen-Teams verantwortlich.
Die Busrundreise führte zunächst in die Toskana, wo die Gruppe für drei Tage mitten in der Altstadt von Montepulciano logierte. Wie viele toskanische Städte liegt Montepulciano in Akropolislage auf der Kuppe eines sein Umland überragenden Hügels. Die Höhenlage bot Schutz vor Feinden und der Malaria in den teils sumpfigen Talsenken. In der Umgebung von Montepulciano wird der Vino Nobile angebaut, dessen Qualität nur von dem Brunello Rotwein aus Montalcino übertroffen wird. Am eindrucksvollsten erhebt sich die Höhenstadt Volterra über ihr Umland. Die Stadt ist für ihre Tradition der Alabasterverarbeitung bekannt. Dieser kristallisierte Gips wird bis heute abgebaut und teils in Schauwerkstätten in der Altstadt zu einer Vielzahl von Alltags- und Kunstgegenständen verarbeitet. Ein Besuch von Siena mit seiner berühmten Piazza del Campo rundete die stadtgeographische Erkundung der Toskana ab. Exkursionsdidaktisch wechselten sich klassische Stadtrundgänge mit interaktiven, App-basierten Stadtrallyes in Form von Action-Bounds ab.
In der Physiogeographie beschäftigte sich die Exkursionsgruppe mit den Verwitterungs- und Erosionsformen, die durch die weichen Ton- und Mergelsteine sowie das hügelige Relief bedingt sind. Deutlich treten z.B. als Calanchi bezeichnete und senkrecht in den Hängen verlaufende Erosionsrinnen in der Region Crete südöstlich von Siena auf. Die heftigen Niederschläge im zurückliegenden Winterhalbjahr haben auch senkrechte Gullies in den weichen Untergrund gerissen. Rund um den längst erloschenen Vulkan Monte Amiata im Südosten der Toskana treten noch viele postvulkanische Erscheinungen in Form von Thermalquellen auf. In Bagno San Filippo nutzte die Exkursionsgruppe nach der Besprechung der Erklärung der Entstehung von Thermalquellen und der Ausfällungsprodukte des Kalksinters die Gelegenheit zu einem Freiluftbad im warmen Thermalwasser.
Die Busfahrt zur nächsten Schwerpunktregion am Golf von Neapel führte am Fuß des Apennins, dem von Genua bis zur Stiefelspitze reichenden Gebirgs-Rückgrats von Italien, entlang. Die Entstehung dieses Faltengebirges geht genauso wie der Vulkanismus in Italien auf die Subduktion der Afrikanischen unter die Adriatische Platte zurück. Ziel waren zunächst die Phlegräischen (verbrannten) Felder mit ihren über 50 Eruptionszentren. Mit dem Monte Nuovo, der im Jahr 1538 an nur einem Tag entstand, besuchte die Exkursionsgruppe die jüngste Eruption in Form eines 133 Meter hohen Vulkankegels mit Krater. Kurz unterhalb des Kraterrandes gibt es noch Dampfaustrittsstellen, sogenannte Fumarolen. Dieser kleine Vulkan bildete die Vorbereitung für die Besteigung des Vesuvs am nächsten Tag, bei dem man nach einem kurzen anstrengenden Aufstieg ebenfalls den Kraterrand begehen konnte. Der Vesuv ist ein knapp 1.300 Meter hoher Schichtvulkan, der als Tochtervulkan innerhalb der Caldera des viel älteren Kegelvulkans Monta Somma entstand. Der letzte Ausbruch des Vesuvs mit einem Lavafluss fand im Jahr 1944 statt. Die gesamte Region um den Vulkan ist bei einer Eruption hochgradig gefährdet. Die Folgen einer sogenannten Plinianischen Eruption mit der Freisprengung der Vulkanspitze und nachfolgendem mehrtägigem Ascheregen sowie pyroklastischen Strömen, die mit großer Geschwindigkeit und glutheißen Temperaturen den Vulkanhang hinunterrasen und alles Leben auslöschen, zeigte der Besuch der antiken Stadt Pompeji auf. Den Bewohnern wurde zum Verhängnis, dass sie nach dem Schrecken der ersten Vulkaneruption in ihre Stadt zurückkehrten und dann den erst später eintretenden pyroklastischen Strömen zum Opfer fielen. Bis zu den ersten Ausgrabungen im 19. Jahrhundert konservierte eine mehrere Meter dicke Ascheschicht die zur Zeit des Ausbruchs 79 n. Chr. so wohlhabende römische Stadt in der Campania Felix.
Unweit des Vesuvs liegt mit Neapel die größte Stadt Süditaliens. Deren Erkundung begann im Zentrum mit dem ursprünglichen griechischen quadratischen Stadtgrundriss. Die Altstadt ist bis heute durch enge gepflasterte Gassen gekennzeichnet, von denen ausgehend Tordurchfahrten die Innenhöfe der Quartiershäuser erschließen. Der Einzelhandel ist durch wohnzimmergroße Geschäfte in den Erdgeschossen geprägt. Die sämtlich historischen Gebäude mit abblätternden Fassaden versprühen einen morbiden Charme.
Im Gegensatz zu dem Moloch Neapel zeigt sich das auf einer Küstenterrasse gelegen Sorrent als kleiner mondäner Touristenort. Nach einem kurzen Stadtrundgang besuchte die Exkursionsgruppe einen oberhalb der Stadt gelegenen Bauernhof mit dem Schwerpunkt Zitronenanbau. Die klimatischen Bedingungen sind auf der Halbinsel Sorrent besonders günstig. Durch die Beschattung mit schwarzen Netzen wird die Reifezeit bis ins Frühjahr hinausgezögert, so dass besonders gute Qualitäten entstehen. Der Anbau erfolgt auf mit Trockenmauern gestützten Terrassen. Der besuchte Betrieb verarbeitet seine Zitronen selbst, u.a. zu dem beliebten Likör Limoncello und zu Marmelade.
Der Weg vom Golf von Neapel nach Apulien führte vom Tyrrhenischen Meer zum Adriatischen Meer und durch die am dünnsten besiedelte Region Italiens, die Basilikata. Das ärmliche Leben der Menschen dort vor dem Zweiten Weltkrieg wurde durch Carlo Levi in seinem Buch „Christus kam nur bis Eboli“ einer breiten Öffentlichkeit eindrücklich vor Augen geführt. Nach dem Besuch des Dorfes Castelmezzano, das wie ein Adlerhorst an den steilen Felshängen der Lukanischen Dolomiten klebt, erkundete die Exkursionsgruppe die von Carlo Levi beschriebenen Sassi von Matera. In die Kalktuffsteinwände der Karstschlucht von Matera wurden Behausungen, Werkstätten, Ställe und Kirchen geschlagen. So entstand über die Jahrhunderte hinweg eine ganze Stadt im Gesteinsuntergrund, die Stadt der Sassi. Noch 1950 lebten 18.000 Menschen unter schlechten hygienischen Bedingungen in den feuchten Höhlenwohnungen. Bis in die 1970er Jahre wurde der Großteil dieser Bevölkerung durch sozialen Wohnungsbau umgesiedelt.
Apulien steht morphologisch im Kontrast zu der durch das Faltengebirge des Apennins geprägten Basilikata und führt über mehrere Kalksteinplateaus zum Adriatischen Meer. Die Kalksteinlösungs- und -ausfällungsprozesse kulminieren in der Grotte von Castellana, in der ein kilometerlanger Gang eines ehemaligen Höhlenflusses zu einer Halle mit strahlend weißen Tropfsteinen führt.
Das Siedlungsbild Apuliens ist einerseits durch die eng mit dem Stauferkaiser Friedrich II. verknüpften Städte mit ihren wehrhaften Kastellen und monumentalen romanischen Kathedralen geprägt. Andererseits herrscht in der Murgia eine auf Südapulien beschränkte Sonderform der Streusiedlung mit eigentümlichen Behausungen vor. Typisch für die einstöckigen und als Trulli bezeichneten Einzelhöfe aus Trockenmauerwerk ist die kegelförmige Kuppe aus Kalksteinplatten. Den südlichsten Punkt der Exkursion bildete die Stadt Lecce, deren Altstadt durch besonders aufwändige Barockfassaden glänzt.
Apulien ist mehr als alle anderen Regionen Italiens ein Land der Olivenbäume. Nach der Besichtigung einer Genossenschaftsölmühle unterhalb der weißen Stadt Ostuni stand die Erkundung eines Olivenhofs mit biologischem Anbau auf dem Programm. Ein Drittel der insgesamt 3.000 Olivenbäume dieses Betriebes werden als Milleniums bezeichnet, weil sie um die 1.000 Jahre alt sind. Die gesamte Wertschöpfungskette vom Olivenbaum bis zur Vermarktung des Olivenöls konnte im Rahmen der Betriebserkundung nachvollzogen werden.
Über das berühmteste Kastell Apuliens, das Castel del Monte, das als achteckige Krone sein Umland deutlich überragt, führte der Weg nach Rimini, dem Mekka des Massentourismus an der italienischen Adria. Die touristische Entwicklung, deren erste Hauptphase sich als „Teutonengrill“ zusammenfassen lässt, hat mittlerweile eine Stufe des Partytourismus, der auch auf deutsche Jugendgruppen abzielt, erreicht.
Über die Euganeischen Hügel und Padua führte der Weg schließlich nach Venedig, dem krönenden Abschluss der Großexkursion. Die vom Meeresspiegelanstieg, gigantischen Kreuzfahrtschiffen und kaum mehr zu bewältigende Touristenströmen bedrohte Lagunenstadt übt trotz ihrer vielfältigen Probleme eine besondere Faszination aus.
Das dreiteilige Projekt Großexkursion Italien findet nach der Vorbereitung und Durchführung im Sommersemester 2018 seinen Abschluss durch eine umfassende Dokumentation in Form eines schriftlichen Ergebnisberichts, einer CD Rom mit didaktischen Bildern und einer filmischen Dokumentation.