Der menschgemachte Klimawandel schreitet fort und wir müssen versuchen diesen zu bremsen. Aus diesem Grund beschäftigt sich die Forschung unter anderem mit der Herstellung von klimaneutralen Energieträgern. Ein geeigneter Kandidat für die Energiebereitstellung für die Mobilität der Zukunft ist grüner Wasserstoff. Dieser kann mit Hilfe von Bakterien hergestellt werden. In diesem Versuch werden die Lernenden das Bakterium Rhodobacter capsulatus auf einem Mangelmedium kultivieren und dadurch den Stoffwechsel der Mikroorganismen zur Wasserstoff-Produktion anregen. Dieser wird über einen DIY(Do-it-yourself)-Gaschromatographen nachgewiesen.
Inhaltsbezogene Kompetenzen
3.5.1.3: Stoffwechselprozesse: Die Lernenden können
… die Teilprozesse der Fotosynthese […] im Hinblick auf die Energieumwandlung beschreiben.
… die Bedeutung von ATP als universellen Energieträger in lebenden Systemen erklären.
… Experimente zur Fotosynthese durchführen und dokumentieren/… Experimente zur Fotosynthese planen, durchführen und auswerten
…die Prozesse der Fotosynthese und Zellatmung beschreiben/…die Bedeutung von Fotosynthese und Zellatmung für Organismen erläutern
3.4.2 Stoff- und Energieumwandlung: Die Lernenden können
… Grundprinzipien des auf- und abbauenden Stoffwechsels erläutern (Kompartimentierung, Redoxreaktionen, Stoffwechselregulation auf Enzymebene, Energieumwandlung, energetische Kopplung über ATP/ADP-System).
… den Zusammenhang zwischen dem Absorptionsspektrum von Chlorophyll und dem Wirkungsspektrum der Fotosynthese erläutern.
… die Abhängigkeit der Fotosyntheserate von abiotischen Faktoren auf experimenteller Grundlage erläutern.
Prozessbezogene Kompetenzen:
2.1 Erkenntnisgewinnung: Die Lernenden können
2.2 Kommunikation: Die Lernenden können
2.3 Bewerten: Die Lernenden können
… die Wirksamkeit von Lösungsstrategien bewerten.
… Anwendungen und Folgen biologischer Forschungsergebnisse unter dem Aspekt einer nachhaltigen Entwicklung beschreiben und beurteilen.
… Anwendungen und Folgen biologischer Forschungsergebnisse unter dem Aspekt der Verantwortung für die Natur beurteilen.
In Kleingruppen werden die Schüler:innen das Bakterium Rhodobacter capsulatus (leider können Artnamen nicht in kursiv gesetzt werden...) kultivieren und dessen Stoffwechselwege auf die Herstellung von Wasserstoff einstellen sowie die Gasproduktion qualitativ nachweisen. Für die Versuchsdurchführung werden zwei Doppelstunden benötigt. In der ersten Unterrichtseinheit impfen die Schüler:innen zwei Reaktoren mit dem Bakterium Rhodobacter capsulatus an. Ein Reaktor ist mit normalem Nährmedium befüllt und dient als Kontrolle „unter Normalbedingungen“. Der zweite Reaktor ist mit einem Stickstoff-Mangelmedium befüllt und soll die Mikroorganismen zur verstärkten Wasserstoffproduktion anregen. Sind die Reaktoren angeimpft, müssen diese gemäß des Versuchsprotokolls zuerst bei 30° für mindestens 72 Stunden im Dunkeln stehen, bevor sie am Licht Photosynthese betreiben und die dabei gewonnene Energie zur H2-Produktion nutzen können. In der zweiten Unterrichtseinheit liegt der Fokus auf dem Nachweis des im Laufe der Woche produzierten Wasserstoffs. Hierfür werden die Reaktoren an einen DIY-Gas-Chromatographen angeschlossen.
Rhodobacter capsulatus (R. capsulatus) ist eine Bakterienart. Genaugenommen ist es ein grammnegatives Bakterium aus der Familie der Purpurbakterien. Sie tragen ihren Namen aufgrund ihrer rötlich bis braunen Färbung (Bergmann 2011, S. 3). Sein natürlicher Lebensraum ist das nasse bis feuchte Milieu. Es fühlt sich in Süß- und Salzgewässern wohl, kann aber auch in Böden vorkommen. (Licht 2020, S. 1) Die Besonderheit an R. capsulatus und anderen Purpurbakterien, ist die Fülle an unterschiedlichen Stoffwechselwegen (Bergmann 2011, S. 6). Sie können ihren Energiehaushalt aerob mit Licht, anaerob ohne Licht und durch Fermentationsprozesse aufrechterhalten. Welche Stoffwechselwege aktiviert werden, hängt von den Umweltbedingungen ab, welchen sie ausgesetzt sind (Licht 2020, S. 1). Unter bestimmten Umweltbedingungen fällt Wasserstoff als Abfallprodukt dieser Stoffwechselwege an (Heldt und Piechulla 2015, S. 66). Dies ist auch der Grund, weshalb sie einen Platz in der Forschung zur grünen Wasserstoffgewinnung gefunden haben.
Grüner Wasserstoff, ist Wasserstoff, welcher bei der Herstellung und während des Verbrauchs keinerlei CO2 emittiert. In der Regel wird bei der Herstellung von Wasserstoff indirekt CO2 freigesetzt. Denn dieser wird meist durch die Elektrolyse gewonnen und die hierfür notwendige Energie stammt oft zu einem großen Anteil aus fossilen Energieträgern. Werden hingegen erneuerbare Energiequellen für die Elektrolyse genutzt, spricht man von grünem Wasserstoff (Bundesministerium für Bildung und Forschung - BMBF 2020). Eine weitere Methode ist die Herstellung des Wasserstoffs mithilfe von Bakterien wie zum Beispiel dem Bakterium R. capsulatus. Dieses gewinnt die notwendige Energie aus der Photosynthese und produziert den Wasserstoff lediglich als Stoffwechselabfallprodukt (Kircher und Schwarz 2020, 41 f.).
Die Stoffwechselwege der Bakterien sind deutlich vielfältiger als die von uns Eukaryonten. Je nachdem, was Rhodobacter capsulatus als Energie-, Kohlenstoff- und Stickstoffquelle bereitsteht, ist das Bakterium in der Lage unterschiedlichste Stoffwechselwege zu aktivieren(Bergmann 2011).
Wenn Licht und CO2 vorhanden sind, wird das Bakterium seinen Energiebedarf über die Photosynthese decken. Vergleichbare Stoffwechselwege kennen wir aus dem Reich der Pflanzen (Licht 2020). Hier spricht man von Photoautotrophie. Sind hingegen Sauerstoff und organische Verbindungen vorhanden, wird sich Rhodobacter capsulatus chemoheterotroph ernähren (Licht 2020). Wie auch beim Menschen wird hier der Luftsauerstoff verbraucht. Wird Rhodobacter capsulatus auf einem Medium mit stickstoffhaltigen Verbindungen (Ammoniak, Ammonium) kultiviert, kann der Stickstoff direkt aus dem Medium aufgenommen und verstoffwechselt werden (Licht 2020). Fehlt eine vergleichbare Stickstoffquelle muss dieser unter hohem energetischem Aufwand aus der Luft fixiert werden. Dies gelingt durch das Enzym der Nitrogenase (Bergmann 2011).
R. capsulatus hat, wie alle Photosynthese betreibenden Bakterien, Photosysteme in der Zellmembran. R. capsulatus betreibt eine anoxygene Photosynthese, ist somit nicht auf Sauerstoff angewiesen und besitzt nur ein Photosystem (Bergmann 2011). Während der photosynthetischen Reaktion werden mit Lichteinstrahlung und der Absorption der Lichtenergie unzählige Elektronen im Photosystem angeregt und so aus dem Photosystem freigesetzt (Heldt und Piechulla 2015). Die freigesetzten Elektronen binden an Quinone, die als mobile Elektronentransportmoleküle die Elektronen zu verschiedenen Membrankomplexen transportieren (Heldt und Piechulla 2015). Die dort stattfindenden Redoxreaktionen setzen allmählich Energie frei. Diese wird genutzt, um einen Protonengradienten über die Membran aufzubauen. Dadurch entsteht ein elektrochemische Potenzial. Dieses wird von der ATP-Synthase, einem Transmembranprotein, dazu genutzt um aus Adenosindiphosphat (ADP) und einem Phosphat (Pi) Adenosintriphosphat (ATP) herzustellen (Heldt und Piechulla 2015). ATP ist die universelle Energieladung der Zelle.
Bei der Aufzucht von Rhodobacter capsulatus wächst das Bakterium in einem Nährmedium heran, welches ihm ideale Lebens- und Wachstumsbedingungen bietet. Im Medium sind somit alle für das Bakterium wichtigen Stoffe enthalten, so auch Stickstoff in Form von Ammoniumsulfat. Dieser fixierte Stickstoff, welcher für das Wachstum essentiell ist, kann von Rhodobacter capsulatus direkt aufgenommen werden. Somit kann Rhodobacter capsulatus mit geringem Energieaufwand Ammoniak für den anabolen Stoffwechsel verwenden. Nach der Aufzucht wird Rhodobacter capsulatus auf ein Mangelmedium umgesetzt. Hier ist kein fixierter Stickstoff vorhanden, da im Mangelmedium Ammoniumsulfat durch Glutamat ersetzt wird. Dadurch ist Rhodobacter capsulatus gezwungen unter hohem Energieaufwand das Enzym Nitrogenase zu aktivieren. Durch die Nitrogenase kann, wenn kein Sauerstoff in der Umgebung vorhanden ist, elementarer Stickstoff oder auch Glutamat in Ammoniak umgewandelt werden. Für die Reaktion werden 16 ATP benötigt und es entsteht Wasserstoff als Stoffwechselnebenprodukt.
Durch die Möglichkeiten der verschiedenen Stoffwechselwege von R. capsulatus kann mit ihm unter Laborbedingungen Wasserstoff produziert werden. Optimal funktioniert dies, wenn die Bakterien auf einem Stickstoffmangelmedium kultiviert werden. Fehlen stickstoffhaltige Verbindungen sind die Mikroorganismen gezwungen den molekularen Stickstoff aus der Luft zu fixieren. Die geschieht durch das Enzym Nitrogenase. Allerdings erfordert dieser Vorgang viel Energie und wird durch die Anwesenheit von Sauerstoff inhibiert. Um den Sauerstoff aus der Umgebung zu entfernen, werden die Bakterien für circa 3 Tage ins Dunkle gestellt. Hier können Sie ihren Energiebedarf nicht über die Photosynthese decken. Sie leben daher chemoheterotroph und verstoffwechseln organische Verbindungen. Dabei wird der Sauerstoff im Reaktor verbraucht. Rezeptoren des Bakteriums nehmen den Mangel an Sauerstoff in ihrer Umgebung wahr. Das Bakterium muss die Form der Energiebereitstellung an die veränderten Umweltbedingungen anpassen und beginnt damit Photosysteme auszubilden. Das ist an der Rotfärbung des Mediums zu erkennen und geschieht bei 30° im Dunkeln nach circa 72 Stunden. Nach 72 Stunden ist somit das Photosystem ausgebildet und der Sauerstoff verstoffwechselt. Stellt man nun den Reaktor ans Licht startet die anoxygene Photosynthese. Diese ist sehr effektiv und es entsteht ATP im Überfluss. Dieses ATP kann nun genutzt werden, um über die Nitrogenase molekularen Stickstoff zu binden. Dabei entsteht unser Wasserstoff als Abfallprodukt.
Literatur:
Für die Durchführung des Versuchs sind keine praktischen Vorkenntnisse nötig. Die Arbeitsweisen, die durchgeführt werden können während des Versuchs von den Schüler:innen erlernt und direkt angewandt werden. Auf inhaltlicher Ebene sollte den Schüler:innen der Ablauf der Photosynthese bekannt sein. Außerdem sollten die Schüler:innen bewusst sein, dass es beim Metabolismus von unterschiedlichen Lebewesen unterschiedliche Ernährungstypen gibt (photo-/chemotrop auto-/heterotroph). Fächerübergreifend sollten die Schüler:innen Wasserstoff als grünen Energieträger kennen.
Welche Stolpersteine gibt es bei der Versuchsdurchführung?
Während des Versuchs wird mit dem Bunsenbrenner gearbeitet, weshalb eine Sicherheitsbelehrung für die Klasse von Nöten ist. Dabei sollte darauf eingegangen werden, welche Gefahren es dabei gibt. Diese sind lange, offene Haare, weite Kleidung und Schmuck. Außerdem muss bei der Arbeit mit dem Bunsenbrenner ein Laborkittel und eine Schutzbrille getragen werden. Dies schützt zum einen vor den Flammen und zum anderen vor heißen Flüssigkeiten.
Auf was muss beim sterilen Arbeiten geachtet werden?
Steriles Arbeiten ist im Umgang mit Mikroorganismen von großer Bedeutung. Es soll sichergestellt werden, dass lediglich R. capsulatus im Bio-Reaktor kultiviert wird. Fremde Bakterien sollen nicht in den Bio-Reaktor gelangen. Da die meisten Schulen keine Sterilbank mit Abzug besitzen, kann als Alternative unter der Flamme des Bunsenbrenners gearbeitet werden. Mit der aufsteigenden heißen Luft werden fremde Bakterien von den Versuchsmaterialen fortgetragen und können diese nicht kontaminieren. Ebenso müssen die Versuchsmaterialien, Deckel und Flaschenöffnungen in der Flamme des Bunsenbrenners kurz erhitzt und damit steril gemacht werden. Zudem sollten die Schüler:innen stets die Hände waschen und desinfizieren um jegliche Art der Kontaminierung im Keim zu ersticken.
Wie viel Aufwand ist es den Versuch durchzuführen?
Das LaboraTRI-Team übernimmt die erste Kultivierung der Bakterien für die Lehrkräfte. In der ersten Unterrichtseinheit können die Schüler:innen eigenständig die Bio-Reaktoren animpfen. Die Vorbereitungen für den Labortag sind überschaubar. Am Ende des Labortags stellen die Lernenden die Reaktoren ins Dunkle. Nach drei Tagen sollten die Bakterien von der Lehrkraft ans Licht gestellt werden, damit diese Photosynthese betreiben können. Am zweiten Labortag gilt es den Nachweis des Wasserstoffs vorzubereiten. Hier unterstützt das LaboraTRI-Team bei der Einarbeitung, damit am Ende der Nachweis des grünen Wasserstoffs gelingt.
Zur Durchführung eines Versuchsansatzes werden folgende Materialien benötigt: